BMU-Interview

Hier veröffentlichen wir einen Fragebogen, den wir für das Bundesministerium für Umwelt beantwortet haben. Er gibt einen guten Überblick über unsere Anliegen und über das, was wir als Freybauern erreichen wollen.

Bitte nennen Sie ein Beispiel für eine nachhaltige Landwirtschaft, in der biologische Vielfalt (Biodiversität) gefördert und/oder geschont wird!

Wir sind ein kleinbäuerlicher ökologisch und ökonomisch wirtschaftender Vollerwerbsbetrieb mit 25 Hektar. Unsere Flächen bewirtschaften wir seit Jahren naturnah ohne jegliche Pestizide und Agrochemie. Wir verzichten bewusst auf sämtliche Agrarsubventionen und Förderungen um „frey“ in unseren Entscheidungen zu sein. Wir haben belastbar bewiesen: Landwirtschaft und Naturschutz sind vereinbar – und das wirtschaftlich und konkurrenzfähig.


Aus welchem Bundesland stammt Ihr Beispiel?

Aus Baden-Württemberg.


Bitte beschreiben Sie das Projekt! Warum haben Sie es ausgewählt, was war dabei für Sie besonders wichtig?

Besonders wichtig war es uns, ein reproduzierbares Modell auf ökologisch und ökonomisch wirtschaftender Basis zu erarbeiten, welches wirtschaftlich und konkurrenzfähig ist. D. h. die Realisierung einer nachhaltigen bäuerlichen Kreislaufwirtschaft mit geringem Input und hohem Output auf Basis einer risikominimierenden Diversifizierung. In Kürze: Wir bewirtschaften seit Jahren unsere Streuobstwiesen, Futterwiesen, Felder und Wald naturnah und ohne jegliche Pestizide und Agrochemie.


  1. Auf unseren Streuobstwiesen wachsen mehr als 140 identifizierte Obstsorten, ergänzt durch Lebensinseln aus Feldgehölzen, Hecken, Totholz- und Lesehaufen.
  2. Die Mahd erfolgt schonend und abschnittsweise.
  3. Unsere Felder sind parzelliert durch erntefähige Wildobsthecken und Wildkräutersäume. Auf den Ackerparzellen bauen wir Kräuter in Mischkultur und (alte) Acker- und Kulturpflanzen an.
  4. Eine eigene Imkerei und eine kleine Mutterkuhhaltung begleiten unsere Kreislaufwirtschaft positiv.
  5. Mit unserer Landwirtschaft betreiben wir eine biodynamische Erhaltungszucht im Sinne einer dynamischen Datenbank der Biodiversität.
  6. Zur Steuerung der Mengenrelation verarbeiten wir große Teile unserer Ernten in der Verarbeitungsstufe 1 direkt am Hof.
  7. Durch konsequente und traditionelle Koppelung der landwirtschaftlichen Nutzungsebenen erzielen wir zum einen auf kleinen kombinierten Flächen ohne hohen Personal- und Kapital-/Betriebsmitteleinsatz wirtschaftliche Erträge, zum anderen bieten wir durch die enge Verzahnung von Habitatsstrukturen Lebensraum für zahlreiche Säuger, Vögel, Amphibien, Reptilien, Schmetterlinge und weitere Insekten an und erhalten dadurch die natürliche Balance der „Schädlinge“ und Nützlinge.

Was hat Ihrer Meinung nach dazu beigetragen, dass das Projekt Erfolg hatte? Welche Erfahrungen möchten Sie anderen mitteilen?

Der Mut zur Veränderung und eine objektive Analyse der eigenen und äußeren Rahmenbedingungen. Wir kamen u. a. zum Ergebnis, dass wir nicht über die notwendigen Produktionsfaktoren für eine industrielle Massenproduktion von Lebensmitteln verfügen, dass wir nicht bereit sind das unternehmerische Risiko in Abhängigkeit einer intransparenten Subventionspolitik zu tragen und dass wir nicht nur durch Umstellung der Produktionsmethode (BIO) uns einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil verschaffen – da u. E. die Umstellung der Produktionsmethode die Gesetzmäßigkeit der industriellen Massenproduktion nicht außer Kraft setzt. Dahingehend definierten wir unsere unsere Leitsätze z. B.:


  1. Wir sind keine Teilnehmer des „Lebensmittel“-Massenmarkts und somit kein Spielball der industriellen Wertschöpfungskette.
  2. Wir sehen Biodiversität als unsere Pflicht (Verantwortung) und zukunftsfähiges Geschäftsmodell. Wir definierten unser Unternehmensziel, die Stufen der Zielerreichung und unser Qualitätsmanagement.

Welche Hindernisse gab es? Welche Fehler sollten andere vermeiden?

Hindernisse – in Rekapitulierung der letzten zehn Jahre würde dies den Rahmen sprengen. Hauptursächlich waren dafür – wie zu erwarten – das Intervenieren des für uns zuständigen Landwirtschaftsamtes und – wider Erwarten – auch einzelner Naturschützer. Anfeindungen von einzelnen Berufskollegen und anfangs soziale Ausgrenzung. Im Gegenzug gab es auch mentale und operative Unterstützungen oftmals von unerwarteter Seite hauptsächlich von sogenannten konventionellen Landwirten.

Erfahrungen: anhand der einzelbetrieblichen Ausgangslage ist die Definition eines individuellen Geschäftsplans von höchster Priorität. Aus diesem sind die paketweisen Stufen der Zielerreichung abzuleiten. Diese wiederum sollten im Prozess – Konzeption, Umsetzung und Übernahme in den Betrieb – unter Beachtung der eigenen wirtschaftlichen Möglichkeiten zeitversetzt realisiert werden. Etablierung eines eigenen Qualitätsmanagements zur permanenten Überprüfung des Zielerreichungsgrades.


Wo können wir weitere Informationen über das Projekt finden?

Spätestens Ende April sind wir mit unserer Website online. Im November letzten Jahres hielten wir den Leitvortrag beim Bundeskongress Nabu/Naturgucker und dieser ist unter folgendem Link als pdf abrufbar: http://www.naturgucker.info/fileadmin/naturgucker/content_data/kongress18_Klotz_Landwirtschaft.pdf


Was muss sich ändern, damit sich eine nachhaltige Landwirtschaft flächendeckend durchsetzt, in der biologische Vielfalt gefördert und/oder geschont wird?

Was muss sich ändern? Hier helfen u. E. keine weiteren punktuellen Veränderungen und Reförmchen, sondern nur der Mut zur Veränderung mit einer einschneidenden Reform der verfehlten Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte. Der wirtschaftliche Kollateralschaden dokumentiert sich u. a. in hunderttausenden Betrieben, die aufgeben mussten und dem anhaltenden Schwund weiterer Betriebe, die der permanenten Steigerung des Kapitaleinsatzes nicht Folge leisten können und der Tatsache, dass das durchschnittliche Einkommen der Betriebe aus 50–60 % Subventionen besteht. Flankiert wird die fortschreitende lebensraumzerstörende Industrialisierung der bäuerlichen Landwirtschaft durch die nationalen und internationalen (Qualitäts-)Standards als ausführendes Instrument zur Realisierung immer größerer Märkte, u. a. Bundessortenamt, HACCP usw. Wir müssen ein Modell finden, dass eine ökologisch-ökonomische Wirtschaftsweise basierend auf einzelbetrieblichen Service Level Agreements honoriert.


Haben digitale landwirtschaftliche Techniken den Erfolg Ihres Projekts gefördert und wenn ja, wie?

Nein – u. E. bedeutet dies wieder einen erhöhten Kapitaleinsatz der bäuerlichen Betriebe ohne adäquaten Gegenwert.



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